Erziehungswissenschaft

Die Beschäftigung mit der Psychologie lieferte neben einer Charakterisierung des alltäglichen Zweck-Mittel- Schemas Belege für die zentrale Bedeutung des Zweckbegriffs für den der Handlung innerhalb dieser Wissenschaft. Darüber hinaus wurde seine Relevanz für wichtige methodologische Grundsatzentscheidungen der Psychologie deutlich. Der letzte Punkt ließe sich unschwer auch an der Erziehungswissenschaft demonstrieren, was angesichts des erheblichen Einflusses psychologischer Vorgehensweisen auf die Pädagogik nicht verwundert. Stattdessen wird der Schwerpunkt auf die Lernzieltheorie gelegt, weil dieses Gebiet einen neuen Aspekt der Zweckthematik anspricht. Beschränkten sich die angeführten psychologischen Theorien auf die Probleme eines deutenden Nachvollzugs von Handlungen und Zielsetzungen, so stellt sich der Lernzieltheorie grundsätzlich auch die Aufgabe einer vernünftigen Setzung von Zielen, die natürlich sogleich die Frage aufwirft, ob diese innerhalb von Wissenschaft möglich sei, und die noch grundsätzlichere ethische, ob auch praktische Ziele begründungsfähig seien oder ob dies nur für Aussagen gelte.

König: Theorie der Erziehung

Lernziele – Deduktion und Zweck-Mittel-Zusammenhang

Das hier gewählte Ausgangsbeispiel, die „Theorie der Erziehungswissenschaft“ von Eckard König, 1 nimmt vorsichtig, aber entschieden Partei für die Begründbarkeit von Normen. Der darin gegebene Aufriß der historischen und zeitgenössischen Diskussion der Begründung praktischer Zielsetzungen innerhalb der Pädagogik 2 gliedert das Problem unter einem systematischen Gesichtspunkt in das der Begründung oberster Leitsätze und in das der Deduktion „konkreter“ Erziehungsziele aus diesen Prinzipien. Auch die systematischen Vorschläge Königs orientieren sich an dieser Einteilung. Gerade das „Deduktionsproblem“ hat zu einer über die gesamten 70er Jahre andauernden methodologischen Diskussion über Art und Möglichkeit der Ableitung von Lernzielen geführt. Der Übergang von übergeordneten zu untergeordneten Zielen wurde dabei charakterisiert als formallogische Folgerung, als Schluß vom Allgemeinen auf das Besondere, als Teil-Ganzes-Beziehung, als Begriffsentfaltung, als hermeneutischer Zusammenhang, als empirischer Zusammenhang, als der Abstraktion inverse Konkretion et cetera – unter anderem mit dem Ergebnis beträchtlicher Verwirrung, gesteigert auch durch etliche Beiträge, die deren Beseitigung zum Ziel haben.

König sieht grundsätzlich lediglich zwei Möglichkeiten, die sinnvollerweise gemeint sein können: zum einen eine logische Deduktion nach den für Sollenssätze beziehungsweise Zielsetzungen einschlägigen Regeln einer deontischen Logik, zum anderen die Verknüpfung durch Ziel-Mittel-Zusammenhänge. Beide unterscheiden sich

deutlich in formaler Hinsicht, darüber hinaus aber auch bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit und der Art des jeweils in Anspruch genommenen Wissens, ja letztlich durch einander diametral entgegengesetzte Wissenschaftsauffasssungen. Eine Deduktion innerhalb der deontischen Logik, wie in der Logik allgemein, zeichnet sich gerade durch die Unabhängigkeit von empirischen Ergebnissen der Forschung aus. Sie stellt im Fall der Curriculumtheorie daher ein auf Normen bezogenes axiomatisches System dar, in dem die für die jeweilige Situation gültigen Normen sich logisch, mithin situationsinvariant und ohne Einbeziehung von situationsspezifischem Wissen aus den obersten Prinzipien ergeben, soweit nicht in diese selbst bereits situative Unterscheidungen eingegangen sind. Sowohl wegen der zu geringen Möglichkeiten, das reale Spektrum erzieherischer Situationen einzubeziehen, als auch wegen der Losgelöstheit von empirischem Wissen und empirischen Verfahren der Wissenskontrolle , schätzt König die Aussicht gering ein, pädagogisch relevante Deduktionen allein mit diesem in traditionellen Ansätzen normativer Pädagogik, zum Beispiel bei Herbart, durchaus üblichen Konzept durchzuführen.

Zweckbegriff

Die Hoffnungen verlagern sich damit auf die Möglichkeit einer Ableitung gemäß dem Ziel-Mittel-Schema. Demzufolge hat man sich die Lehr- und Lernziele in einer Hierarchie angeordnet zu denken, wobei die Ziele einer Stufe sich als Mittel zur Erreichung der Ziele der nächsthöheren Stufe verstehen lassen. Dieser Zusammenhang bezieht, im Unterschied zum deontologischen, sowohl Situationsbedingungen wie empirische Anteile ein. König widmet deshalb einen großen Teil des zweiten Bandes der Herausarbeitung der Struktur des Zweck-Mittel- Schemas und legt dabei besonderen Wert auf die Unterscheidung der normativen und der empirischen Anteile. Das Z-M-Schema wird, unter Verwendung formallogischer Mittel, so charakterisiert, daß ausgehend von einem Zustand S durch Ausführung der Handlung A ein Zustand E erreicht werden soll, was so ausgedrückt wird, daß die logische Konjunktion von S und A hinreichende Bedingung für E ist und daß die Herstellung von E „gesollt“ ist.

(1) S(x) ^ A(x) -> E(x)

(2) !E(x)

Die Zufügung von (x) signalisiert die jeweilige Bezogenheit auf eine Person x. ! steht für die Gebotenheit des Sollenssatzes beziehungsweise der darin wiedergegebenen Situation. Eine spätere Erweiterung dieses Schemas trägt der Tatsache Rechnung, daß in Zielhierarchien nicht nur Handlungen Mittel sind, sondern Ziele zu übergeordneten Zielen wiederum in einem Mittelverhältnis stehen können. Die Handlung der ersten Stufe geht in diesem Fall mit ihrem Ergebnis in die Ausgangssituation der zweiten Stufe ein.

Der normative Anteil liegt damit im wesentlichen in der in (2) wiedergegebenen Zielsituation, beziehungsweise in deren Gebotenheit oder Gewünschtheit, der empirische in der in (1) wiedergegebene Wirkungsbeziehung, die durch empirisches Wissen repräsentiert wird und dementsprechend durch empirische Verfahren widerlegt werden kann. Diese eindeutige Trennung und die sich daraus ergebende Linearität der Übertragung der normativen Bewertung vom Ziel auf das Mittel wird allerdings eingeschränkt durch die Notwendigkeit der Berücksichtigung von Nebenwirkungen, die im Fall ihrer negativen Einschätzungen auf die Bewertung der Handlungen und eventuell auch der Ziele zurückwirkt und so deren Wechselbeziehung kompliziert. König analysiert die Argumentation um Nebenwirkungen so, daß sie grundsätzlich der um die Ziel-Mittel-5truktur entspricht. Auch sie besteht aus einem normativen Anteil, der die Bewertung der durch die Nebenwirkung herbeigeführten Situation enthält, und einem deskriptiven, der die betreffende Wirkungsbeziehung zum Ausdruck bringt. Auf die angesprochene Komplizierung geht er allerdings nicht näher ein.

Schließlich muß auch der empirische Anteil erweitert werden, da nicht nur das Wirkungswissen sondern auch die Kenntnis der Situation mit all ihren für die Handlungswirkung und für die Wünschbarkeit des Zielzustands relevanten Bestimmungsstücken nicht als selbstverständlich unterstellt werden darf, sondern einen Gegenstand kritisierbaren empirischen Wissens darstellt. 3

Königs Darstellung berücksichtigt nicht nur die einfach überschaubaren Anwendungen des Zweck-Mittel-Schemas. Er unterscheidet begrenzte und unbegrenzte Ziele, also solche die immer nur partiell erreicht werden können („möglichst schnell“), geht ein auf Entscheidungen unter Unsicherheit, d.h. mit bloß wahrscheinlichen Wirkungserwartungen, auf mehrfache Zielsetzungen, auf mehrstufige Entscheidungsprozesse und greift zu deren Bewältigung auf formalisierte Verfahren wie das Bernoulli-Kriterium, das Bellmansche Optimalitätsprinzip oder ein „General-Problem-Solver“ – Programm zurück. Mit all dem macht er Gebrauch von dem im Zusammenhang der Unternehmungsforschung ausgebildeten Instrumentarium der Entscheidungstheorie, das an späterer Stelle eigens thematisiert werden wird.

Das zur Argumentation in Zweck-Mittel-Zusammenhängen Gesagte läßt offen, ob eine rationale Begründung von Lernzielen insgesamt oder nur relativ zu von außen vorgegebenen oder dezisionistisch gewählten Zielen für möglich gehalten wird. König sieht natürlich, daß mit Hilfe des Zweck-Mittel-5chema allein keine Rechtfertigung von Grund auf möglich ist. Er rechnet allerdings damit, daß ein von den Grundinteressen des Lebenserhalts und der Herstellung von Intersubjektivität ausgehender, durch die zweckrationalen Vorgehensweisen inhaltlich bestimmter Diskurs diese von der theoretischen Begründung zu unterscheidende praktische Rechtfertigung leisten kann.

Rolle des Zweck-Mittel-Schemas in Erziehungswissenschaft

In dieser Entschiedenheit und Ausführlichkeit ist der Rückgriff auf zweckrationale Verfahrensweisen sicher nicht repräsentativ für die gesamte erziehungswissenschaftliche Lernzieldiskussion. Gleichwohl ist König (II 15) darin recht zu geben, daß ihre praktische Anwendung in der Pädagogik für die Vertreter unterschiedlichster Richtungen charakteristisch ist. Sie trifft Realität und Möglichkeit der Lernzielargumentation besser als die anderen oben genannten formalen Deduktionsweisen. Dies gilt allerdings in erster Linie für den „alltäglichen“ Teil der Zweck-Mittel-Argumentation, während die aufwendigeren aus operations research übernommenen Verfahrensweisen ihre praktische Leistungsfähigkeit für pädagogische Zusammenhänge noch zu erweisen hätten. Zweifellos besteht eine Diskrepanz zwischen der relativ geringen Berücksichtigung der Zweck-Mittel- Strukur in den meisten Beiträgen zum Deduktionsproblem einerseits und ihrer praktischen Anwendung auf diesem Gebiet andererseits. Dies hat teilweise ersichtlich seinen Grund in falschen Analysen der tatsächlich verwendeten und geeigneten Argumentationen um Lernziele, zum andern aber in der durchaus bewußten sehr unterschiedlichen Einschätzung des zweckrationalen Argumentationsschemas.

Während zum Beispiel Brezinka ihr einen sehr grundsätzlichen Stellenwert einräumt: „Es gibt keine Erziehung, die nicht als Mittel zu einem Zweck angesehen wird“ (Brezinka, 1976, S.107), findet sich auch deutliche Kritik am zweckrationalen Vorgehen und diese bezieht sich teilweise auch direkt auf Ansätze wie den hier dargestellten. So gesteht Brüggen zwar die Vorteile des ZM-Schemas gegenüber anderen Deduktionsweisen zu, kritisiert aber unter dem Titel „Zwecke und Mittel. Das Dilemma des pädagogischen Konstruktivismus“ (Brüggen 1980, S.300) den Typus zweckrationalen Handelns. Dieser laufe den Selbstbestimmungs- und Selbstfindungsprozessen der Jugendlichen zuwider, indem er das Erziehungshandeln an der optimalen Anwendung zweckrationaler Handlungsfolgen ausrichte. (S.307f.) Beides stehe im Widerspruch zu dem von König (und Gatzemeier) vertretenen Postulat von Mündigkeit und Selbstbestimmung. Dabei fällt auf, daß hier in erster Linie ein technologisches Unterrichtskonzept kritisiert wird, während Königs Überlegungen auf die Rechtfertigung von Unterrichtszielen gehen. Nun mag beides sich in gewisser Weise wechselseitig bedingen – auch König läßt mitunter eine Neigung zu „technologischen“ Konzepten, zum Beispiel Verstärkungsmodellen, erkennen. Aber der Zusammenhang ist doch nicht so problemlos, daß eine einfache Gleichsetzung von zweckrationalen Ableitungsbeziehungen im Rahmen praktischer Rechtfertigung und einer Unterrichtstechnologie erlaubt wäre. Von beiden zu unterscheiden ist schließlich der zweckrational gedachte Zusammenhang von Schule und Gesellschaft, die Beziehung von institutionalisierten Lernhandlungen insgesamt als Mittel für außerhalb des Unterrichtszusammenhangs anwendbaren rechtfertigenden Qualifikationen.

Mag auch einleuchten, daß die drei eben unterschiedenen Erscheinungsweisen von Zweckrationalität im Bereich der Lernzieltheorie, in der Regel vereint auftreten, und mögen sie auch faktisch bei vielen Vertretern zweckrationaler Argumentation und noch mehr bei deren Kritikern ununterschieden bleiben, so muß doch die Feststellung stutzig machen, wie sehr sich die Positionen der Auseinandersetzung gegenüber denen in der Psychologie verschoben haben und wie verschieden sich das Bild der „Zweckrationalisten“ in beiden darstellt. Dort erschien der zweckorientierte Ansatzes eher als eine Bewußtheit und Handlungsautonomie bejahende Verteidigung geisteswissenschaftlich-philosophischer Ansprüche gegen kausalistische und insofern technokratische Konzepte. Hier erscheint er selbst als technokratischer Standpunkt und der Unterschied zwischen Zweckrationalität und Kausalität schrumpft zu einer quantite negligeable.

Kritik an Zweckrationaliät und Technologie

Die Kritik an der Zweckrationalität 4 stellt sich in dieser Diskussion als Technologiekritik dar, besonders als Kritik an der Anwendung instrumenteller Kategorien auf Menschen im allgemeinen , und in diesem Fall auf Schüler im besonderen. Sie ist deshalb in ihrem Kern eine Kritik eines technologischen Unterrichtskonzepts. Eine am Zweck-Mittel-Schema orientierte Theorie der Curriculumplanung wird von dieser Kritik hauptsächlich deshalb einbezogen, weil sie ein derartiges Unterrichtskonzep t zur Folge haben müsse, beziehungsweise weil beide gar nicht unterschieden werden. Obwohl streng genommen die Art des Zusammenhangs zwischen Lernzielen nicht deren Verhältnis zu den Unterrichtshandlungen determiniert, ist es naheliegend – und wohl auch im Sinn der referierten Theorie – diese Handlungen wiederum als Mittel zur Erreichung der Lernziele zu verstehen. Damit besteht in der Tat die Gefahr, Schüler zu Gegenständen manipulativen Handelns werden zu lassen, da die Zweck-Mittel-Relation ja durch eine Wirkungsbeziehung definiert wurde, deren Orientierung an technisch-manipulativen Kategorien nicht zu leugnen ist.

Andererseits läßt sich zugunsten nicht der Unterrichtstechnologie, aber einer an Zweck und Mittel orientierten Curriculumtheorie sagen, daß sie auch Züge aufweist, die einem derartigen manipulativen Umgang gerade entgegenlaufen. Während ein technologisches und in diesem Sinn auch zweckrationales Vorgehen eine Optimierung der Mittel bei gleichzeitigem Festhalten der (vorgegebenen) Ziele anstreben, haben die Theorien zweckrationaler Zielrechtfertigung ihren Ursprung gerade in der Infragestellung von Zielen und nicht in deren Festschreibung. Der Rückgriff auf Zwecke erfolgt eben nicht unter einem technischen Interesse, sondern unter einem solchen der praktischen Vernunft, nämlich im Hinblick auf die praktische Kritik und Begründung von Normen. Auch ist es durchaus denkbar, die Erreichung der Ziele auch als ein Handeln der Erzogenen und nicht nur der Erzieher zu verstehen, nur müssen dann beide nicht in einem kausalen Wirkungszusammenhang, sondern in einem anders gearteten Interaktionszusammenhang stehen.

Deshalb ist es keine bloße Idiosynkrasie der angeführten Autoren, dieses Vorhaben als Ausdruck eines reformerischen, an der Mitbestimmung der Betroffenen orientierten Konzepts zu sehen. Zumindest dem Anspruch nach steht die Zweckrationalität für die Möglichkeit einer nicht nur technischen Vernunft. Aufzuklären ist dieser Widerspruch zwischen einem bloße Fragen der technischen Machbarkeit übersteigenden Anspruch der Zweckrationalität und deren gleichzeitigen Angewiesenheit auf Instrumentalität wohl nur durch eine differenzierendere und insbesondere die Rolle und Notwendigkeit ihrer Definition über eine Kausalbeziehung thematisierende Betrachtung. Sie könnte ergeben, daß eine Entkopplung des Zweckbegriffs möglich ist oder aber, daß es ein unabweisbares Schicksal dieses Versuchs einer Fundierung praktischer Rationalität ist, immer wieder zu bloß technischer Rationalität zu gerinnen.

Implikationen des Zweck-Mittel-Modells

Innerhalb der curricularen Diskussion wird dies meiner Kenntnis nach nicht geleistet. Wo die in zweckrationaler Argumentation implizierte Instrumentalität nicht einfach akzeptiert wird, finden sich zwei typische Formen ihrer Verteidigung, eine im engeren Sinn pädagogische, die davon ausgeht, daß eine institutionalisierte Erziehung nicht ohne Bezug auf ihre wünschenswerten Ergebnisse vernünftig rechtfertigbar sei, ihr Mittelcharakter in Hinsicht auf außerschulische Anforderungen sich mithin daraus notwendig ergebe, und eine grundsätzlichere, die darauf verweist, daß von den Kritikern der Begriff der Zweckrationalität zu eng ausgelegt werde, und dies durch den Nachweis belegt, daß der Kritik selbst eine Zweck-Mittel-Strukur zugrundeliege. Unterschiedlich seien im Einzelfall nur die zugrundegelegten Ziele, nicht aber die Bezugnahme auf Zweckrationalität. König benutzt diese Argumentation bei der Auseinandersetzung mit Habermas! Position (Bd.I, 5.181):

„Augenscheinlich wird bei Habermas die Frage nach der Rechtfertigung von Zielen verschliffen mit der Frage, wie weit die Ziel-Mittel-Argumentation selbst berechtigt ist; zudem ist sein weiterführender Einwand besonders problematisch angesichts der Tatsache, daß Habermas bei der Analyse von Erkenntnisinteressen selbst eine Ziel-Mittel-Argumentation voraussetzt.“

Gerade dieser Versuch der Anverwandlung der Gegenposition hat heftigen Widerstand hervorgerufen. So beklagt Blankertz, „daß auch dieser Begriff ((Emanzipation)), obschon dem antipositivistischen Arsenal entstammend, dennoch dem instrumentalistischen Gebrauch zum Opfer fiel, sich eingefügt sehen mußte in die Kategorien einer lernzielorientierten Didaktik, schließlich Versuchen der Operationalisierung und Effektivitätskontrolle.“ 5 und Flitner spricht einfach von dem „absurden Versuch, „Emanzipation“ als curriculares Lernziel zu setzen und zu evaluieren.“ und fügt hinzu „Auch das Curriculum der Liebesfähigkeit, der Solidarität, der Phantasie, des Spiels, der Ich-Stärke sind Absurditäten.“ 6

Gemeinsam ist den beiden sich widersprechenden Positionen die, durch Definitionsbemühungen nicht ausgeschlossene, Bezugnahme auf einen eher intuitiven Begriff von Zweck und Zweckrationalität, der dem einen als absurd erscheinen läßt, was für den anderen eine Forderung der Vernunft darstellt. Rumpf bringt diese Problematik einer durch die alltägliche Lebenswelt vorgegebenen und geforderten Musters zweckrationalen Denkens in die Diskussion:

„Keine Frage, daß dieses ((=das zweckrationale)) Unterrichtsmodell deshalb so plausibel wirkt, weil jeder Zeitgenosse von zweckrational konstruierten Größen umgeben ist, weil die Welt so zu sehen lebensnotwendig wurde. Aber damit ist die Frage nach der Legitimität der Monopolstellung dieses Konzepts nicht beantwortet, sondern gestellt.“ 7 Diese Einsicht in die Allgegenwärtigkeit und tiefe Verankertheit des Zweck-Mittel-Schemas, die sich auch in der Möglichkeit zeigt, quasi jede Argumentation in eine zweckrationale umzuformulieren, läßt es als unwahrscheinlich erscheinen, daß eine Kritik auf sozusagen „anschauliche“ Weise gelingen kann, wie sie beispielsweise von Rumpf (a.a.O.) versucht wird, wenn er zugegeben eindrucksvolle Beispiele für zweckrationale und andersartige, „spontane“, „dialogische“ Unterrichtsstile anführt. Gerade die Selbstverständlichkeit und Vertrautheit des Schemas macht eine eher „künstliche“ Mischung aus Analyse und Distanzierung zur notwendigen Bedingung der Kritik. Nur so kann ein Bewußtsein davon entstehen, daß auch das Zweck- Mittel-Schema nicht eine in der Welt vorgegebene Beziehung, sondern ein Muster unseres Umgangs mit Welt darstellt. Als solches ist es nicht nur auf die Möglichkeit, sondern auch auf die Wünschbarkeit seiner Anwendung zu prüfen.

  1. Eckard König, Theorie der Erziehungswissenschaft, 3 Bd., München (Fink) 1975-78. Der Ansatz hat hinsichtlich der normativen Tendenz und des konstruktivistischen Hintergrunds gewisse Ähnlichkeiten mit dem Gatzemeiers (vgl. Gatzemeier 1975 a, b) unterscheidet sich aber – neben dem Grad der Ausarbeitung – durch Akzentsetzungen in der Begründungsproblematik, worauf auch Brüggen 1980, S.316 hinweist. Vgl. auch Prätor 1975. ↩︎
  2. König 1975-78, Bd.l, S. 34-88 ↩︎
  3. König 1975-78, Bd. 11, S.26 Strenggenommen müsste das hier Gesagte auch für die Handlung gelten. Hier ist es aber nicht selbstverständlich, daß man über die eigene Handlung im Irrtum sein kann. ↩︎
  4. So zum Beispiel (ohne direkten Bezug auf Königs Position) Flitner 1978, Blankertz 1978, Rumpf 1971, für die Verteidigung der Zweckrationalität setzt sich Krumm 1979 ein, sich dabei allerdings mit der Nähe zu technologischen Konzepten identifizierend und damit die Gegner der Zweckrationalität in diesem Punkt bestätigend. ↩︎
  5. Blankertz, Handlungsrelevanz pädagogischer Theorie, Zeitschrift für Pädagogik 1978/2, S.177 ↩︎
  6. Flitner, Eine Wissenschaft für die Praxis? Zeitschrift für Pädagogik 1978/2, S.190 ↩︎
  7. Horst Rumpf, Zweifel am Monopol des zweckrationalen Unterrichtskonzepts. Thesen über das Verhältnis von Lernzielen und Unterrichtsereignissen, S.401, in: Neue Sammlung 11, 1971, 5.391-411 ↩︎

Creative Commons Lizenzvertrag
Zweck und Mittel von Klaus Prätor ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.