Erlanger Konstruktivismus

In den späten sechziger und den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts war neben der Frankfurter Schule die der Erlanger Konstruktivisten, mit ihren Gründern Kamlah und Lorenzen, eine der beachtetsten und einflussreichsten Richtungen der deutschsprachigen Philosophie. Die Logische Propädeutik gehörte an vielen Universitäten zum Curriculum, Lorenzen unterrichtete parallel neben Erlangen in Boston und Austin(Texas), es kam beim Philosophenkongress 1969 in Düsseldorf zur „Großen Koalition“ der deutschen Philosophie mit Habermas; sogar die hohe Politik, (sowohl Helmut Schmidt wie Oskar Lafontaine [sic]) nahmen sie in Anspruch. Ich hatte das Glück, damals in Erlangen zu studieren.

Heute trafen sich die Konstruktivisten in Konstanz wieder, wo sich mittlerweile eine Lorenzen-Stiftung samt Archiv konstituiert hat. Nach etlichen Vorträgen (dem Tagungsprogramm zu entnehmen) waren die alten Diskussionen lebendig wie ehedem. Aber natürlich hat die historische Distanz auch das ihre getan: die Gegensätze und leider auch die Hoffnungen sind geringer geworden.

Was mich angeht, so hatte ich nach meinem Studium noch mehr als ein Jahrzehnt an der RWTH Aachen Philosophie in konstruktivistischer Tradition gelehrt, natürlich nicht ohne Kritik* (Wer seine Kirche liebt, reformiert sie ;-). Trotz aller Sympathie habe ich mich dann aber in Richtung Informatik bewegt, was wiederum ein Glück war. Im Grunde nicht so überraschend (Lorenzen war habilitierter Mathematiker): die konstruktiven Ansätze erweisen sich in der Informatik leichter als überzeugend als in Politik, Alltag und Philosophie.** Das war wohl auch der Grund dafür, dass eine deutlich wahrnehmbare Gruppe von Informatikern das Treffen besuchte und belebte.

I may not have gone, 

where I intended to go, 

but I think I ended up,

where I intended to be

(Douglas Adams)

*So zur Abstraktionstheorie und zur Dialogischen Logik (im zweiten Teil des Textes)

**Zwei Informatikbücher, die explizit auf den konstruktivistischen Ideen aufbauen:

Peter Schefe: Informatik – eine konstruktive Einführung.

Hartmut Wedekind: Objektorientierte Schemaentwicklung. Ein kategorialer Ansatz für Datenbanken und Programmierung

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