Satiren und Ironien

Dieser Eintrag, wenn ich recht gezählt habe, der hundertste, ist weder satirisch noch ironisch. Er ist motiviert durch , eine editionsphilologische Tagung, die, für den Kenner offensichtlich, viel mit XML zu tun hat. Ich fühle mich ihr auch, aber nicht nur, verbunden, weil sie in den ersten Jahren im Zusammenhang mit der Technikkommission der AG für philosophische Editionen stattfand, für die ich zuständig war.

Diesmal war für mich besonders interessant, dass auf ihr ein relativ schnell entstandener Entwurf für eine Digitalisierung der Würzburger Jean-Paul-Editionen, insbesondere der „Satiren und Ironien“ vorgestellt wurde (vgl. Bild oben). Er fand erfreulicherweise ein sehr positives Echo. Die Skizze ist für einen Blog zu lang, für die Sache aber zu kurz

editionebenen

Obige Grafik umfasst die technischen Hauptbestandteile und damit auch die wesentlichen Bearbeitungsschritte des mit dem Holbeinbeispiel begonnenen digitalen „Jean-Paul-Portals“ oder wie immer es am Ende auch heißen mag.

Was allerdings fehlt, ist der erste Schritt, der in den vergangenen Tagen eigentlich das Wichtigste war, nämlich die Umformung der existierenden Tustep-Dokumente in die im Bild Archivschicht genannte Form,  also nach XML, nach Möglichkeit nach der Maßgabe der TEI.

Technisch betrachtet ist diese lineare Umformung eine Aufgabe für sog. reguläre Ausdrücke. De facto wurde eine kontextfreie Grammatik (in Prolog) verwendet, womit sich einige Sonderfälle problemlos mitbehandeln ließen.

Aus dieser Archivschicht werden dann die tatsächlich gebrauchten Ausgaben erzeugt (Präsentationsschicht). Das  kann natürlich auch nur eine sein. Es soll aber deutlich werden, dass das Modell gerade darin besteht, aus einem (im Prinzip unveränderten) Archivtext unterschiedliche Ausgaben erzeugen zu können.

So steht im vorliegenden Beispiel eine Portalfassung neben einer Satirenfassung. Man muss genau hinsehen, um die Unterschiede zu sehen, aber sie folgen zwei völlig verschiedenen Ideen. Die zweite baut im Wesentlichen die existierende Druckfassung der „Satiren und Ironien“ nach, während die erste alle Einzeldokumente gleichberechtigt einander gegenüberstellt. (Im Beispiel wird von dieser auf die andere verwiesen, das muss aber natürlich nicht so sein.)

Die Präsentationschicht basiert auf XHTML (XML wäre auch möglich, ist aber nicht so breit verwendbar.) Die Umformung erfolgt auf andere Art. Der Text wird nicht linear durchlaufen. Stattdessen wird die dem XML zugrundeliegende Baumstruktur (DOM-tree) benutzt. Die Umsetzung kann mit XSLT oder, wie in diesem Fall, wieder mit Prolog erfolgen.

Die so entstandene Präsentations- oder Gebrauchsschicht ist nicht mit der Benutzeroberfläche gleichzusetzen. Die endgültige grafische Gestalt erhält die Ausgabe erst durch Cascading Stylesheets (CSS), die Schriftarten, Farben, Ränder und Abstände etc. bestimmen. Vielfach wird in Projekten digitaler Edition nur zwischen der Ebene des sachlichen Markups und der grafischen Gestaltung unterschieden. Warum brauchen wir die Präsentationsebene als Zwischenschicht? Es gibt eine Reihe von Elementen, die als nur grafische Gestaltung unzureichend bestimmt wären, z.B. die der Navigation dienenden. Suchfunktionen wären hier auch zu nennen, aber wir wollen uns vorläufig auf die Navigation konzentrieren.

Zu ihr gehören z.B. Inhaltsverzeichnisse, Indices, Querverweise. In der Regel sind sie nicht allein durch Umformung aus dem Archivtext zu erzeugen, sondern benötigen zusätzliche Metainformation. Im Beispiel ist z.B. die Metainformation nötig, dass die Paragraphen in den verschiedenen Editionsbereichen in einem textgenetischen Zusammenhang stehen. Diese Information lässt sich vorteilhaft im Resource Description Format (RDF) festhalten, grundsätzlich aber auch in einer beliebigen Datenbank.

Genau betrachtet erfolgt die Umsetzung also unter Rückgriff auf die Archivebene und zusätzliche Metainformation. Da die Navigation (u.a. wegen der Benutzerfreundlichkeit) relativ gleichförmige Strukturen benutzt, ist programmiertechnisch hier der Rückgriff auf Schablonen (Templates) sinnvoll. Nicht trivial ist die Frage, auf welcher Ebene nun eigentlich die Navigation anzusiedeln ist.  Hier hilft eine Unterscheidung weiter, die hier auf die Begriffe Topologie und Navigation gebracht werden soll. Die Topologie liegt auf der Ebene der Archivschicht und stellt die Möglichkeiten von Navigation zu Verfügung, z.B. die Identifizierbarkeit von Absätzen, (vergleichbar der Rolle von Straßen in einem öffentlichen Verkehrssystem). Die konkrete Navigation (vergleichbar mit den tatsächlich nach einem Plan fahrenden Bussen) wird auf der Präsentationsebene eingerichtet.

Entwicklungsleitlinien sind der Ausgang der Modellierung von den Besonderheiten des Editionsprojekts, Einfachheit der Bedienung und der Navigation aber auch der verwendeten Werkzeuge und leichte Pflegbarkeit der Programme.

In dem Projekt kommen als Werkzeuge bzw. Standards XML (vorzugsweise nach TEI), XHTML und CSS zum Einsatz, ferner Prolog und JavaScript.

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